aus / from: Superstar 1 (2000) p. 33

Ralf Bei der Kellen

Blindenhund mit Kontrapunkt
Ein Nachruf auf Moondog

Louis Hardin alias Moondog, geboren 1916 in Kansas/USA, gestorben am 8. September 1999 in Münster/Westfalen, war ein Unikum der modernen E-Musik.

Nach seiner Erblindung durch einen Explosionsunfall im Alter von 16 Jahren zog er nach New York, wo er als Straßenmusiker und Bettler lebte und den Namen seines Blindenhundes annahm. Zwischen 1955 und 1957 nahm er drei LPs für das Label Prestige auf, auf denen er seine Musik mit zum Teil selbst erfundenen Instrumenten wie "oo" oder "timbra" spielte. Seine Kompositionen entstanden auf den Straßen New Yorks, wo er an einem kleinen Tisch sitzend Vertiefungen in Papier stanzte, um so seine Musik aufzuzeichnen. Zu seinen Bewunderern zählten Leonard Bernstein, Charlie Parker und Igor Strawinsky, der einmal über ihn gesagt haben soll: "Bedenken sie, der Mann ist ein ernstzunehmender Komponist." 1969 nahm Moondog zwei Alben für CBS auf. Oft saß er in Armeedecken und Wikingerhelm gegenüber dem Hilton-Hotel, was die Betreiber irgendwann zu einer Anzeige mit dem Text "Sie finden uns gegenüber Moondog" veranlaßte. Er wurde zur Kultfigur des Undergrounds, Janis Joplin coverte sein Madrigal "All is Loneliness" (Moondog: "Sie hat es total versaut").

Nach einem Engagement in Frankfurt beschloß er 1974, in Deutschland zu bleiben. Er zog ins "Komponistenparadies" Oer-Erkenschwick (wohin auch sonst?) und veröffentlichte LPs bei Kopf Records. Elektronische und atonale Musik waren ihm stets ein Greuel: Stockhausens Musik eigne sich gut als Hintergrundmusik für einen Irrenhaus-Film, sagte er einmal, und zur Minimal Music meinte er: "Meine Musik ist etwas völlig anderes als die von Glass und Steve Reich. Die scheren sich nicht um den Kontrapunkt, sondern spielen eine Stunde lang dasselbe."

"Freiheit in Knechtschaft" nannte er das Prinzip seiner Kompositionen, die oft strenge klassische Formen wie Madrigal oder Kanon haben, aber häufig durch Perkussion, meist eigenhändig vom Meister gespielt, aufgelockert werden. So auch auf seinem vorletzten Album "Sax Pax For A Sax" (Kopf/Indigo), welches er thematisch und musikalisch Adolphe Sax, dem Erfinder des Saxophons widmete. Das London Saxophonic Orchestra - unter anderem mit Peter Hamill - spielt Moondogs wunderbare Kompositionen, während er selbst im Hintergrund unbeirrbar auf die Pauke haut.

Über sich selbst hat Moondog einmal gesagt: "I'm in the world, but not of it." Er hinterläßt ein stilistisch breitgefächertes Werk, mit Elementen von Jazz über Folk bis Klassik. Und doch ließ sich seine Musik nie in eine andere Schublade stecken, als die, wo "Moondog" draufsteht. Er war der Außenseiter unter den Außenseitern.

Paul Simon hielt ihn bereits Anfang der 70er für tot, aber auch Totgesagte leben nicht ewig. Leider.